Versorgungs-Report 2012

Gesundheit im Alter

Der Versorgungs-Report 2012 setzt sich schwerpunktmäßig mit der Gesundheit im Alter auseinander. Er beleuchtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven unter der Leitfrage, welche Schritte bei der Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten medizinisch-pflegerischen und präventiven Versorgung gegangen werden sollten. Die Autoren analysieren Versorgungsrealitäten und zeigen auf, wie Reformansätze zu stabilisieren und zu stärken sind. Die medizinischen und ökonomischen Auswirkungen der demografischen Entwicklung werden ebenso diskutiert wie die damit verbundenen Herausforderungen für die Versorgungsstrukturen. Letzteres geschieht sowohl auf der Systemebene als auch anhand konkreter Projekte.

TEIL I Schwerpunkt: Gesundheit im Alter

Die demografische Entwicklung in Deutschland als Herausforderung für das Gesundheitswesen

Gabriele Doblhammer und Andreas Dethloff

Die demografische Entwicklung Deutschlands ist vor allem durch die Alterung der Bevölkerung gekennzeichnet. Langfristig niedrige Fertilität sowie die stetig steigende Lebenserwartung führen dazu, dass ein immer größerer Prozentsatz der Bevölkerung in den hohen Altersgruppen zu finden ist. In den letzten Jahren wird dieser Prozess von einem Rückgang der Gesamtbevölkerung begleitet, der sich in  Zukunft noch verstärken wird. Da die Bevölkerung vor allem in den jungen Altersgruppen schrumpft, wird sich langfristig und unausweichlich das zahlenmäßige Verhältnis junger zu alter Menschen ändern, was wiederum zu gravierenden Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme im Allgemeinen und auf das Gesundheitswesen im Speziellen führen wird. Der Beitrag gibt einen Überblick über Trends und Determinanten der Sterblichkeit in Deutschland, diskutiert die Auswirkungen auf die Altersstruktur sowie die Lebensformen und Lebensumstände im hohen Alter und schließt mit einer Betrachtung regionaler Unterschiede.

Auswirkungen der älter werdenden Gesellschaft auf das Gesundheitswesen – bleibt es bezahlbar?

Stefan Felder

Der Einfluss der Alterung der Bevölkerung auf die künftigen Gesundheitsausgaben wird aufgrund der hohen Sterbekosten moderat ausfallen. Da der Anstieg der individuellen Krankheitsausgaben nicht durch das Alter an sich, sondern durch die Nähe zum Tod verursacht wird, hat der Aufschub der Mortalität in ein höheres Alter keinen starken Effekt auf die Lebensausgaben für Gesundheit. Eine Schätzung der GKV-Ausgabenentwicklung bis 2050, die die Sterbekosten explizit berücksichtigt, führt zu einer Reduktion des demografischen Einflusses im Vergleich zu einer Prognose auf der Grundlage gegebener altersspezifischer Gesundheitsausgabenprofile.

Alter und Krankheit: eine Frage neuer Versorgungsformen, nicht nur für alte Menschen

Norbert Schmacke

Der Zusammenhang von Alter und Krankheit wird in der politischen wie der öffentlichen, teils auch der wissenschaftlichen Diskussion als besondere Herausforderung für die Zukunftsfestigkeit des Gesundheitswesens gesehen. Neben der Frage, ob tatsächlich wegen der weiter steigenden Lebenserwartung mit immensen Kostensteigerungen zu rechnen ist, geht es vor allem um die Frage, wie sich die Strukturen des Systems in einer Gesellschaft mit weiter wachsender Lebenserwartung verändern müssen. Die Fokussierung auf das Alter kann, so wird in diesem Beitrag argumentiert, dabei darüber hinweg täuschen, dass es in erheblichem Maße um Richtungsentscheidungen geht, die altersunabhängig sind. Im Mittelpunkt derartiger Betrachtung steht international das Thema Primary Care: wie soll künftig das Verhältnis zwischen Generalisten und Spezialisten gestaltet werden? Die Beantwortung dieser Frage drängt vor allem in Systemen, in denen der Zugang zur spezialistischen Medizin niedrigschwellig organisiert ist. In die Förderung angemessener Versorgungsformen muss engagierter als bisher investiert werden.

Brauchen alte Menschen eine andere Medizin? – Medizinische Einordnung spezieller Behandlungserfordernisse älterer Menschen

Norbert Lübke

Alte Menschen zeichnen sich in besonderem Maße durch eingeschränkte Reservekapazitäten aus. Sie unterliegen daher in höherem Maß als jüngere Patienten dem Risiko, bereits im Rahmen geringfügig erscheinender zusätzlicher Gesundheitsprobleme dauerhafte Einbußen ihrer bisherigen Funktionsfähigkeit zu erleiden. Diese Risiken gilt es frühzeitig zu erkennen und durch ein individuell bedarfsgerechtes Behandlungsmanagement weitest möglich in ihren potenziell negativen Auswirkungen zu begrenzen. Dies erfordert innerhalb der medizinischen Versorgung die Aufwertung generalistischer Qualifikationen, eine Fokussierung auf diejenigen Erkrankungen, deren Behandlung zum Erhalt von Autonomie und Lebensqualität beiträgt, sowie die verstärkte Berücksichtigung präventiver und rehabilitativer Behandlungsanteile. Darüber hinaus ist eine effizientere Einbettung der medizinischen Versorgung in ergänzende und kooperierende multiprofessionelle Versorgungsstrukturen und -angebote erforderlich, die für diese Zielerreichung ebenso unverzichtbar sind.

Die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Alter

Bettina Gerste

Mit dem Alter assoziierte Krankheiten beeinträchtigen die Lebensqualität älterer Menschen und bedürfen meist einer kontinuierlichen ärztlichen Behandlung. Der Beitrag beschreibt auf empirischer Basis die krankheitsbedingten Ursachen der Inanspruchnahme und den Ist-Zustand der kontemporären Gesundheitsversorgung alter Menschen. Basis sind die im Rahmen des SGB V erbrachten medizinischen Leistungen. Alle Kennzahlen werden auf der Basis von AOK-Routinedaten ermittelt. Auf die Darstellung des Krankheitsspektrums folgt die Beschreibung der Inanspruchnahme von ambulanten und stationären Leistungen sowie Arzneimitteln. Abschließend wird die Versorgung pflegebedürftiger Personen beschrieben. Bis in die neunte Lebensdekade lag im Jahr 2008 ein Anstieg der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung vor, danach reduzierte sie sich. Bei Pflegebedürftigen und Heimbewohnern lag das Maximum der Inanspruchnahme schon in der siebten Dekade. Bei vielen Krankheiten war anhand der ärztlicherseits dokumentierten Behandlungsdiagnosen ebenfalls ein Rückgang der Prävalenzen bei Hochbetagten zu verzeichnen. Insgesamt zeigten sich Übereinstimmungen zwischen Krankheitshäufigkeit und Inanspruchnahme medizinischer Versorgung.

Versorgungsbedarf in der stationären Langzeitpflege

Klaus Wingenfeld

In der stationären Langzeitpflege ist schon seit vielen Jahren ein Wandel der Bewohnerstruktur zu beobachten. Charakteristische Merkmale dieser Entwicklung sind ein wachsender Anteil demenziell erkrankter Bewohner in späten Krankheitsphasen, die Gleichzeitigkeit schwerer körperlicher und psychischer Beeinträchtigungen und eine hohe Sterblichkeit innerhalb der ersten zwölf Monate des Heimaufenthalts. Hierdurch werden Pflegeeinrichtungen vermehrt mit konzeptionellen und organisatorischen Anpassungsanforderungen konfrontiert, die sie aufgrund der schwierigen Personalsituation allerdings nur mit Mühe bewältigen können.

Arzneimittelversorgung älterer Patienten

Petra A. Thürmann, Stefanie Holt-Noreiks, Katrin Nink und Anette Zawinell

Ältere Menschen über 65 Jahre stellen in Deutschland schon heute einen Anteil von 27 Prozent an der Bevölkerung dar. Ihre Arzneimittelversorgung ist geprägt durch die ansteigende Zahl der Erkrankungen im Alter. Die gleichzeitige Verordnung von mehreren Arzneimitteln und eine potenziell ungeeignete Medikation sind bekannte Risiken und führen zu einem Anstieg von unerwünschten Arzneimittelereignissen, nicht zuletzt zu einer erhöhten Mortalität. Auf Grundlage der Arzneiverordnungen für über 65-Jährige aus dem Jahr 2010 konnte ermittelt werden, dass 4 Millionen ältere Menschen mindestens ein potenziell ungeeignetes Arzneimittel verordnet bekamen und 5,5 Millionen Menschen den Risiken durch Polymedikation ausgesetzt waren. Angesichts der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren muss die Sicherheit der Arzneimitteltherapie älterer Patienten verbessert werden. Ansätze zur Optimierung der Arzneimittelverordnungen zeigen sich in den Analysenergebnissen. Prävalenzunterschiede der Verordnung eines potenziell ungeeigneten Arzneimittels in den Bundesländern um bis zu 7 Prozentpunkte sind ein deutlicher Hinweis auf machbare Verbesserungen. Geeignete evidenzbasierte Therapieempfehlungen, hausärztliche Therapiezirkel sowie eine auf ältere Menschen zugeschnittene Pharmakotherapieberatung für Ärzte sind Ansatzpunkte.

Ältere Menschen mit Migrationshintergrund als Patienten und Pflegebedürftige

Patrick Brzoska und Oliver Razum

Etwa 15,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Deutschland. Insbesondere ältere Menschen mit Migrationshintergrund sind sozioökonomisch benachteiligt und haben einen schlechteren Gesundheitszustand als Menschen ohne Migrationshintergrund. In der gesundheitlichen Versorgung sehen sie sich zahlreichen Zugangs- und Wirksamkeitsbarrieren gegenüber. Um ihre Versorgung bedarfs- und bedürfnisgerechter zu gestalten, ist eine migrations- und kultursensible Ausrichtung von Versorgungsangeboten als Teil eines ganzheitlichen Diversity Managements erforderlich. Wir erläutern dies exemplarisch an den Versorgungsbereichen der medizinischen Rehabilitation und Pflege.

Entscheidungsfindung zur Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG)* – Ein Forschungsprojekt**

Claudia Dinand, Tina Quasdorf, Rainer Markgraf und Sabine Bartholomeyczik

In Deutschland werden jährlich circa 140.000 PEG-Sonden*** angelegt. Über den Verlauf von Entscheidungsprozessen liegen in Deutschland kaum systematische Erkenntnisse vor. Die Universität Witten/Herdecke hat in Kooperation mit dem Allgemeinem Krankenhaus Hagen ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zur Rekonstruktion von Entscheidungsprozessen vor Anlage einer PEG im klinischen Krankenhausalltag (1) und der stationären Altenpflege (2) anhand quantitativer retrospektiver (2a) und retrospektiv-prospektiver (1) Dokumentationsanalyse und qualitativer leitfadengestützter Experteninterviews (2b) durchgeführt. Entscheidungsprozesse zur PEG zeigen sich als komplexes, uneinheitliches Verfahren. Menschen mit altersneurologischem Krankheitsstatus dominieren das Geschehen, Instrumente zur Entscheidungsfindung wurden kaum genutzt. Vor allem der kritische Ernährungsstatus und Nichteinwilligungsfähigkeit führen bei den beteiligten Akteuren zu ethischen Dilemmata und weisen auf Unterstützungsbedarf hin. Auf der Grundlage der Ergebnisse wurde eine Entscheidungshilfe entwickelt, die vor allem Angehörige, aber auch professionell Tätige im Gesundheitswesen anspricht.

______________________________


* Dieser Bericht wurde bereits in ähnlicher Form publiziert, vgl. auch: Dinand et al. 2010.

** Ein ausführlicher Forschungsbericht wird unter ähnlichem Titel im Herbst 2011 unter der ISBN 978-386321-010-6 im Mabuse-Verlag erscheinen.

*** Bei einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) handelt es sich einen medizinischen Eingriff. Mithilfe eines Endoskops (flexibler Schlauch, der mit einer Lichtquelle und einem optischen System zur Lagekontrolle ausgestattet ist) wird in Form einer Magenspiegelung (Gastroskopie) eine Ernährungssonde durch die Bauchwand (perkutan) in den Magen gelegt und dort durch eine Halteplatte verankert.

Aktueller und zukünftiger Krankenbestand von Demenz in Deutschland auf Basis der Routinedaten der AOK

Anne Schulz und Gabriele Doblhammer

Auf Grundlage der Routinedaten der AOK des Jahres 2007 erfolgt eine Berechnung der altersspezifischen Prävalenzen der Demenz und der demenzfreien Lebenserwartung (DemFLE) sowie eine Prognose der Anzahl der demenzkranken Personen bis zum Jahr 2050. Gegenwärtig ist etwa ein Fünftel der deutschen Bevölkerung im Alter 80+ von einer Demenz betroffen. Ab dem Alter 80 verbringt eine Frau durchschnittlich 6,9 Jahre demenzfrei, was einem Anteil von 78 Prozent der gesamten Restlebenserwartung entspricht. Männer verzeichnen eine DemFLE von 6 Jahren (≈ 84 Prozent). Für das Jahr 2050 wird die Anzahl der Personen im Alter 50+ mit Demenz je nach Annahmenset auf zwei bis drei Millionen Betroffene geschätzt.

Neue Modelle für die pflegerische Versorgung alter Menschen – Herausforderungen in der ambulanten Pflege

Doris Schaeffer und Adelheid Kuhlmey

Ziel des nachfolgenden Beitrags ist es, die demografische Alterung in ihren Konsequenzen für die ambulante Pflege und hier bestehende Herausforderungen und erforderliche Perspektiven zu diskutieren. Dazu werden zunächst einige Daten zur Veränderung des Alters- und Krankheitsspektrums dargestellt und dann die daraus folgenden Konsequenzen für die ambulante pflegerische Versorgung diskutiert. Folgende Aspekte werden dabei thematisiert: Prävention von Pflegebedürftigkeit, Ausdifferenzierung der ambulanten Pflege, Verankerung eines neuen Pflegebegriffs, technologische Optionen, Verbesserung der Kooperation mit Familien, integrierte und kontinuierliche Versorgung, neue Modelle der Kooperation und Arbeitsteilung und Pflegestützpunkte und wohnortnahe Versorgung.

Einsatz des STEP-Assessments zur systematischen Krankheitserfassung und -bewertung älterer Menschen in Hausarztpraxen

Gudrun Theile, Ulrike Junius-Walker und Eva Hummers-Pradier

Die medizinischen Versorgungsstrukturen im hausärztlichen Bereich sind bisher nur unzureichend auf die Erfordernisse eingestellt, die aus einer steigenden Zahl an älteren, meist chronisch kranken und multimorbiden Patienten erwachsen. Zwei vom Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover initiierte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekte zum geriatrischen STEP-Assessment konnten zeigen, dass eine solche umfassende und strukturierte Untersuchung eine relevante Anzahl an Gesundheitsproblemen aufdeckt, die dem Hausarzt nicht selten vorher unbekannt waren. Ein sich dem Assessment anschließendes Patient-Arzt-Gespräch, in dem ein Großteil dieser Probleme zumindest kurz angesprochen werden, führt zu einer Senkung der subjektiven Krankheitslast des Patienten. Allerdings stimmen Patient und Arzt in der Regel nicht darüber überein, welche Gesundheitsprobleme besonders wichtig und damit prioritär zu behandeln sind. Ein spezieller Gesprächsleitfaden kann die Annäherung der beiden Sichtweisen unterstützen.

Soziale und technische Bewältigungsstrategien von Wohnen im Alter

Markus Zimmermann, Stefan Görres und Svenja Schmitt

Die sozialen und technischen Bewältigungsstrategien von Wohnen im Alter werden als Teil der ökologischen Gerontologie und im Rahmen der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO anhand der Themenfelder des Quartierkonzepts, der Telemedizin und des Ambient Assisted Living dargestellt. Alle drei Ansätze wecken die Erwartung, dass durch Gestaltung der individuellen Lebenswelt im höheren Lebensalter Einschränkungen und Verluste der Unabhängigkeit kompensierbar werden. Allerdings fehlen bisher belastbare Nachweise der Wirksamkeit, so dass Forschungsinitiativen über die Momente der Akzeptanz und Zufriedenheit hinaus dringlich erscheinen.

Neue Ansätze zur Versorgung von Demenzpatienten

Sebastian Voigt-Radloff und Michael Hüll

Die Versorgung von Menschen mit Demenz wird in den folgenden 20 Jahren sowohl pflegende Angehörige als auch das Gesundheits- und Pflegesystem in hohem Maße beanspruchen. Welche Interventionen sind nützlich, welche Versorgungsformen sinnvoll? Für viele Fragenstellungen ist die Datenlage in Deutschland noch unzureichend. Untersuchungen innerhalb des nationalen Gesundheits- und Pflegesystems sind daher umso wichtiger. Denn kulturelle Unterschiede lassen eine Übertragbarkeit von Ergebnissen der Versorgungsforschung aus anderen Ländern nur bedingt zu. Jedoch sind Fortschritte in Deutschland zu verzeichnen. So erbrachten die Forschungsförderungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und des Bundesministeriums für Gesundheit sowie die Modellprojekte des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen in den letzten Jahren neue Ergebnisse. Komplexe Interventionen sind am vielversprechendsten, jedoch oft noch nicht ausreichend geprüft. Eine gute Versorgung sollte statt durch unkritische Akkumulation von ungenügend geprüften Interventionen durch eine kontinuierliche Evaluation spezifischer Wirkfaktoren gesichert werden.

Gesundheitsförderung und Prävention im Alter

Ulla Walter und Christiane Patzelt

Gesundheitsfördernde und präventive Aktivitäten sollten darauf ausgerichtet sein, die Selbstständigkeit zu erhalten, Krankheiten und Behinderungen vorzubeugen, ihr Eintreten hinauszuzögern sowie die Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität älterer Menschen, die bereits physische und psychische Einschränkungen haben, zu verbessern. Der Zugang älterer Menschen zu Gesundheitsversorgung und Gesundheitsdiensten, einschließlich zielgruppenspezifischer Präventions- und Gesundheitsförderungs-angebote, ist Voraussetzung für ein gesundes Altern. Dabei ermöglicht die positive Beeinflussung sowohl körperlicher, psychischer, sozialer und geistig-seelischer als auch umweltbezogener Faktoren ein aktives und gesundes Altern. Erste Erfahrungen mit altersspezifischen Zugangswegen auf kommunaler Ebene wie auch über die arztbezogene und pflegerische Versorgung liegen vor. Es gilt diese zukünftig weiter auszubauen. Eine Vielzahl von Akteuren, regionalen Netzwerkstrukturen und neuen Handlungsfeldern ergeben sich, von denen einige exemplarisch aufgezeigt werden.

Präventive Hausbesuche für ältere Menschen

Matthias Meinck

Präventive Hausbesuche im Alter zielen auf die Reduktion von Mortalität, Pflegeheimaufnahmen und Krankenhausbehandlungen sowie die Verbesserung des funktionalen Status und des allgemeinen Wohlbefindens älterer Menschen. Über mehrere Jahrzehnte wurden zumeist randomisiert kontrollierte Studien ausschließlich im Ausland durchgeführt. Systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen kamen dabei nicht zu übereinstimmenden Ergebnissen. Mittlerweile wurden auch in Deutschland lokal begrenzte und nicht aufeinander abgestimmte kontrollierte Studien durchgeführt, die keinen gesicherten Wirksamkeitsnachweis erbrachten. Präventive Hausbesuche können daher derzeitig nicht als regelhaftes Versorgungsangebot im deutschen Gesundheits-/Sozialsystem empfohlen werden. Ihre Wirksamkeit sollte im Rahmen eines nationalen multizentrischen Forschungsprogramms noch systematischer untersucht werden.

Wie könnte die Versorgung von Menschen mit Demenz im Jahre 2030 aussehen? – Ergebnisse eines interdisziplinären Szenario-Prozesses (Sze-Dem)

Horst Christian Vollmar, Ines Buscher und Sabine Bartholomeyczik

Um die Gesundheitsversorgung von Menschen mit Demenz in der Zukunft antizipieren zu können, wurde ein multidisziplinärer Szenario-Prozess initiiert. Die Szenario-Methode ist ein gebräuchliches Tool aus dem strategischen Management. Sie hilft auf der Basis qualitativer und quantitativer Daten alternative Bilder der Zukunft zu ermitteln. Als Ergebnis des Szenario-Prozesses wurden fünf konsistente Szenarien entwickelt. Zwei davon lassen sich als sogenannte Dark Scenarios mit sehr schlechten Perspektiven klassifizieren; ein weiteres wurde betitelt mit „gut gemeint, aber schlecht gemacht“. Zwei Szenarien wiesen überwiegend positive Aspekte auf, wenngleich eines die Tendenz zu einem „Orwellschen Überwachungsstaat“ zeigte. Die Autoren versuchen Handlungsoptionen und Empfehlungen zu geben, um die Entwicklung eher in Richtung der positiven Szenarien zu beeinflussen.

Versorgungsbericht Palliativmedizin

Peter Engeser

Die palliativmedizinische Versorgung sterbender Menschen hat in den letzten Jahren sehr viel Beachtung in der Bevölkerung gefunden. Die Betreuung und Begleitung von schwerstkranken Menschen, die an unheilbaren Krankheiten leiden, wird wieder als wichtige humanitäre Aufgabe erkannt. Sie ist nicht mehr an den Rand der Gesellschaft verdrängt, nicht mehr nur in eigenständige Institutionen verlagert, sondern steht mitten im Leben der Menschen. Der Gesetzgeber hat unter diesem Eindruck viele Projekte in Deutschland angestoßen. Hierdurch bildeten sich in den vergangenen Jahren neue Strukturen für die Palliativversorgung heraus. Weitere Veränderungen für eine gute Betreuung dieser Menschen werden allerdings auch in Zukunft notwendig werden.

Sturzprophylaxe in Pflegeheimen – Ergebnisse einer zehnjährigen Zusammenarbeit der Wissenschaft mit der AOK

Clemens Becker, Kilian Rapp und Luzia Erhardt-Beer

Stürze und sturzbedingte Verletzungen wie Hüftfrakturen zählen zu den häufigsten Gesundheitsrisiken von Heimbewohnern. Das Forschungsinteresse an den entsprechenden Risikofaktoren und an Sturzprophylaxe ist deshalb in den letzten Jahren gestiegen. Dieser Beitrag beschreibt die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der AOK und Wissenschaftlern bei der Einführung eines Sturzpräventionsprogramms in Pflegeheimen. Er gibt einen Überblick über die Epidemiologie von Stürzen und Frakturen und stellt die Risikofaktoren von Stürzen in Heimen dar. Ein weiterer Fokus liegt auf den verschiedenen Komponenten der Sturzprävention. Zudem werden strukturelle und organisatorische Fragen im Zusammenhang mit der Einführung von Stürzpräventionsprogrammen in Pflegeheimen diskutiert.

Teil II Zur Diskussion

QISA – Das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung – Das Beispiel Palliativversorgung in der Hausarztpraxis

Regine Chenot, Johannes Stock, Björn Broge, Peter Engeser und Joachim Szecsenyi

QISA – das Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung wurde entwickelt, um die Qualität der Patientenversorgung transparent zu machen. Es enthält systematisch zusammengestellte Indikatoren-Sets für 14 wichtige Versorgungsbereiche und umfasst insgesamt über 130 Qualitätsindikatoren. Der Beitrag gibt einen Überblick über QISA und beschreibt dann beispielhaft das Modul Hausärztliche Palliativversorgung. Im Rahmen einer systematischen Recherche und eines Experten-Bewertungsverfahrens wurden hier Indikatoren für die hausärztliche Versorgung von Schwerstkranken und Patienten an ihrem Lebensende entwickelt. Diese beziehen sich auf die Identifikation der Patienten, die palliativ versorgt werden, die Umsetzung von Patientenwünschen, die Symptomkontrolle sowie frühzeitige Vorsorge für mögliche Akutbeschwerden. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur Patienten wie Krebskranke, Schwerstkranke und Sterbende, sondern darüber hinaus Patienten mit Formen einer Demenz sowie terminalen Herz-, Lungen-, Leber- und Nierenerkrankungen. QISA thematisiert damit einen Bereich, bei dem die Versorgung und ihre Qualitätsmaßstäbe noch in der Entwicklung sind, wo aber gute Versorgungsqualität eine besondere Verpflichtung darstellt.

TEIL III Daten und Analysen

Erkrankungshäufigkeiten und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen

Bettina Gerste und Christian Günster

Dieser Beitrag bietet eine Übersicht über die Häufigkeit von Erkrankungen sowie Informationen zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in den drei ausgabenwirksamsten Leistungssektoren des Gesundheitswesens. Der Überblick stellt auf der Grundlage von Routinedaten Kennzahlen zur ambulanten ärztlichen Versorgung, Arzneimittelversorgung sowie zur stationären Versorgung dar.